Wir haben schon Filme in 99 Stunden gemacht (99 Fire-Films-Award). Wir haben Filme in 72 Stunden gemacht (KinoKabaret). Jetzt stellen wir uns einer noch härteren Herausforderung. Beim offenen Stegreif-Filmfestival INSTANT36, das heuer schon zum 15. Mal stattfindet, müssen die Teilnehmer einen Kurzfilm in nur 36 Stunden erstellen. Festival-Veranstalter ist Offscreen, das Offene Film Forum Salzburg.
Am Samstag dem 10. Oktober 2020 startet der Wettbewerb – um 10 Uhr bekommen wir per Email das Thema: “Zeit hat keinen Platz in unserer Welt”. Damit nicht schon vorher gedrehtes Material verwendet wird, muss ein Gegenstand im Film vorkommen. Diesmal ist es ein Handtuch. Der Film muss bis Sonntag 22 Uhr fertig und zum Veranstalter hochgeladen sein.
Unser Brainstorming-Team besteht aus drei Clubmitgliedern – Susanne Dušek, Reinhard Kasparek und meiner Wenigkeit. Dazu unterstützen uns Anke Obermayer, die schon öfter bei Film- und Fotoprojekten dabei war und Peter Lutz, den ich von den KinoKabarets in Graz kenne (ja, die schreibt man mit nur einem t hinten – warum auch immer).
Unser Team ist kreativ und wir haben schon bald vier, fünf Ideen beisammen. Alle drehen sich darum, wie und ob wir Zeit nutzen würden, wenn wir sie denn hätten. Wir verwerfen Ideen, die viel Text benötigen würden, da nicht genug Zeit ist, gute Dialoge zu schreiben, zu lernen und zu üben. Übrig bleibt eine Geschichte, die nur in Bildern erzählt wird und bis auf zwei Rollen, die nur in einer Einstellung vorkommen, mit einem Darsteller auskommt.
Reinhard stellt sich für die Hauptrolle zur Verfügung. Anke und Peter spielen die Nebenrollen. Zu Peter habe ich großes Vertrauen und bitte ihn, die Regie zu übernehmen und ich konzentriere mich auf die Kamera. Susanne ist wie immer die helfende Hand am Set.
Wir besichtigen einen möglichen Drehort in den alten Tagger-Werken, aber da ist es einfach zu schmutzig. Anke organisiert in der Zwischenzeit gleich neben dem Tanzstudio Movements, eine ehemalige Garage von der Pizzeria Onkel Donald. Optimal, was Strom, Verpflegung, Kaffee und Aufwärmmöglichkeit angeht.
Wir holen das Equipment, besorgen Requisiten und kaufen noch Utensilien im Baumarkt. Mit Peter bespreche ich das Drehbuch und wir schreiben eine Shotliste. Susanne und Reinhard bereiten inzwischen den Drehort vor. Nach dem Abendessen beginnen wir mit den Dreharbeiten. Peter und Reinhard arbeiten sehr gut miteinander und Reinhard stellt sich als Top-Darsteller heraus, der Peters Regieanweisungen gekonnt aufnimmt und umsetzt.
Unseren Drehort so zu gestalten, wie wir uns das vorstellen macht Susanne und Anke viel Arbeit. Später brauchen wir auch noch eine Wandmalerei, von der wir erst glauben, sie selber machen zu können. Peter schafft es aber telefonisch, ein Pärchen vom Kunst- und Kulturverein Roter Keil zu organisieren, das uns um drei Uhr früh die Wand künstlerisch bemalt.
Die Dreh- und Aufräumarbeiten dauern bis in den späten Vormittag hinein. Peter muss über Mittag einen Termin wahrnehmen und ich lege mich für zwei Stunden hin, ehe wir beide am frühen Nachmittag mit dem Schnitt beginnen. Beim Ausspielen und Hochladen sind wir dann schon spät dran und schaffen es gerade so, um 22 Uhr mit allem fertig zu werden.
Zwei Wochen nach dem Drehwochenende findet das Screening und die Preisverleihung am 24.10.2020 in der ARGEkultur Salzburg statt. Damit man zu Corona-Zeiten auch von zu Hause dabei sein kann, wird die Veranstaltung erstmals per Livestream im Internet übertragen. Aus den 61 Filmen, die hochgeladen wurden, hat eine Vorjury 26 Beiträge für die öffentliche Filmvorführung ausgesucht. Unser Film “Die Freizeit des Herrn Mayer” ist dabei und Reinhard, Susanne und ich besuchen den Filmabend in Salzburg. Die Hauptjury vergibt vor Ort drei Haupreise und das Publikum wählt per QR-Code-Voting einen Publikumspreis. Obwohl wir selbst keinen Preis gewinnen, freuen wir uns über die Einladung zum Screening und unseren Film auf der großen Leinwand zu sehen. Wir übernachten im Hotel neben dem Veranstaltungsort und genießen ein schönes Wochenende in Salzburg.
Da unser Film noch verbessert werden kann, drehen wir ohne Zeitdruck noch eine Einstellung nach und nehmen uns mehr Zeit bei der Wahl einer passenden Musik, an die dann auch der Schnitt angepasst werden muss. Auch an der Tonabmischung und den Farben arbeiten wir noch, bis wir mit der endgültigen Version dann doch viel zufriedener sind, als mit der 36 Stunden Version.
Ich bedanke mich beim ganzen Team für den Einsatz und die tolle Zusammenarbeit und möchte an dieser Stelle alle Leser motivieren, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen. Obwohl anstrengend, möchte ich die intensive Zeit im Kreis meiner Freunde nicht missen und außerdem kommt als Erinnerung daran auch noch ein Film dabei raus.
Natürlich werden wir die überarbeitete Version von “Die Freizeit des Herrn Mayer” auch bei den VÖFA-Wettbewerben zeigen.
Bericht: Dieter Leitner
Fotos: “Visible Visions” Filmteam (Dieter Leitner, Susanne Dušek, Reinhard Kasparek, Peter Lutz, Anke Obermayer)